Goseanna! Die Berliner haben ihre Weiße, die
Kölner ihr Kölsch, die Düsseldorfer ihr Alt und
die Bayern ihr Weizen – alles obergärige Altbiere,
wie sie weltweit getrunken wurden, bis 1876
die Kältemaschine erfunden wurde. Erst damit
traten die untergärigen Pils- und Exportbiere ihren
Siegeszug an. In Leipzig heißt das Altbier
„Gose“ und ist ein Kulturgut ersten Ranges,
denn es erinnert die Leipziger an die Blüte ihrer
Stadt um 1900, als sich Leipzig noch Gosestadt
nannte. Da war die Gose noch das meistverkaufte
Bier. Gebraut wurde sie auf einem Rittergut bei
Halle nach einem Rezept, mit dem sich 1824 ein
Brauknecht aus Goslar dort eingekauft hatte.
Nachdem der Betrieb 1945 enteignet wurde
und andere Brauer scheiterten, lebte Leipzig seit
1966 auf Entzug – ein Trauma, das sich tief
eingrub. Die Wiedereröffnung der alten Gosenschenke
„Ohne Bedenken“ 1986 durch den
Designer Lothar Goldhahn wurde deshalb als
kulturelle Großtat gefeiert und gleichermaßen
als „privatkapitalistisches Experiment“ beargwöhnt.
Ersttrinkern sei zunächst die Gose pur
empfohlen. Die „Frauenfreundliche“ mit Kirschlikör
ist lieblicher, der „Regenschirm“ mit einem
Kümmel würziger. Angestoßen wird mit „Goseanna!“